Eine Kämpfer-Familie
Sabine und Georg Herm mit Luisa (17) und Daniel (14), einem Charge-Syndrom-Kind mit Melody-Herzklappe

Es war der 14. April 1999 - der Tag an dem unser Sohn Daniel zur Welt kam. Ein Tag der uns zu Kämpfern werden ließ.
Als Daniel per geplantem Kaiserschnitt um 11.08 Uhr auf die Welt kam, musste es schnell gehen, denn er kam mit einem Herzfehler auf die Welt. Der Verdacht lautete Fallot'sche Tetralogie.
Bereits in der 20. Schwangerschaftswoche bestand der Verdacht auf eine Zystische Niere, weshalb wir zur besseren Ultraschall Diagnostik in die Uni-Frauenklinik in Freiburg überwiesen wurden. Bei den Kontrolluntersuchungen der Niere war darüber hinaus das Herz auffällig - weitere Untersuchungen waren nötig und so wurden die Kinderkardiologen und die Humangenetik eingeschaltet.
Man fühlt sich wie ein Hamster im Laufrad, Familie, Frauenarzt, Uni-Klinik und natürlich darf man sich selber nicht vergessen.
Durch die vielen Untersuchungen, unter anderem eine Fruchtwasseruntersuchung (die keine nennenswerten Ergebnisse erbrachte), wussten wir, dass mit unserem ungeborenen Kind vieles nicht stimmte. Ein Schwangerschaftsabbruch kam fur uns nicht in Frage. Die Hoffnung, dass die Ärzte sich irren konnten, war ein Wunschdenken.
Am Tag seiner Geburt in der Uniklinik Freiburg holte uns die Realitat schnell auf den Boden der Tatsachen zuruck. Kein Schrei war zu horen, nur ein saugendes Geräusch, man hatte eine Stecknadel fallen hören können. Dann ein kleines krächzendes Geräusch, ein ganz kurzer Blickkontakt, ein kurzes Wange an Wange - Dr. Krüger von der lntensivstation hat mir Daniel kurz an die Wange gehoben. Ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.
Der Kampf ums Überleben hatte begonnen!
Auf dem Weg zur lntensivstation fiel die Sattigung weit unter 50%, doch Dank dem Ärzte-Team schaffte Daniel die erste schwere Hürde. Die Zweite folgte sogleich, Dr. Krüger teilte uns mit, was mit Daniel war: Herzfehler, blind, evtl. taub, nur eine Niere, Fehlbildungen an Genitalien sowie Ohren und zwei Fingern.
Damals ein Schock, aber wir waren froh über diese Ehrlichkeit. Am dritten Tag folgte ein diagnostischer Herzkatheter - das Ergebnis: Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt kurz VSD. Eigentlich wollten die Ärzte, Prof. Dr. Kececioglu und die Chirurgen Dr. Johansen und Dr. Schlensak mit der OP warten, doch Daniels Zustand verschlechterte sich zunehmend. Es musste dringend eine Verbindung zur Lunge geschaffen werden, die Gefahr, dass der Duktus sich verschließen würde, war zu groß. Deshalb wurde am 6. Tag nach der Geburt ein Shunt gesetzt, um den Lungendurchluss zu gewährleisten.
Bei der Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt ist in der Regel die Verbindung zwischen rechter Herzkammer und Lungenschlagader auf einer längeren Strecke unterbrochen und die Äste der Lungenschlagader sind schmal oder sogar nicht richtig angelegt. Die Lungendurchblutung erfolgt über einen offenen Ductus arteriosus oder über aortopulmonale Kurzschlußverbindungen (sog. MAPCAS).
Daniel wurde am Tag vorher auf der Intensivstation Eckstein notgetauft.
10 Tagen nach der OP wurde Daniel in die Universitätskinderklinik in die lntensivstation Keller verlegt. Zwischenzeitlich hatte sich herausgestellt, dass Daniel taub war, die Diagnose der Augen war noch unklar, ebenso um welches Syndrom es sich handeln konnte, da er mit dem Trinken Schwierigkeiten hatte und darum sehr schlecht zunahm.
Wir fuhren in den folgenden 4 Monaten täglich 120 km, es gab keinen Tag, an dem wir nicht bei Daniel waren. Am Wochenende Georg und unter der Woche ich. Da wir zu dem Zeitpunkt ja noch eine 2-jährige Tochter hatten, konnten wir nicht in Freiburg Übernachten, aber auch diesen “Spagat” haben wir geschafft.
Nach vielen Auf und Abs, Infektionen, abwechselnden Stationen - Noeggerath und Keller - durfte er am 10. Juli 1999 das erste Mal sein Zuhause sehen. Auch hier war es nicht einfach, Daniel musste mehrmals am Tag abgesaugt werden, Inhalationen bis zu viermal am Tag, da die Lunge ständig verschleimt war und er auch schnell blau anlief. Auch richtig schlucken konnte Daniel nicht, deshalb hatte er eine Magensonde, die er gerne herauszog - das hieß dann für mich eine Neue legen. Wir hatten täglich eine Physiotherapeutin da sowie 4 Kinderkrankenschwestern, die sich abwechselten. Ohne diese professionelle Hilfe wäre der Alltag nicht zu schaffen gewesen.
Auch meine Freundin Michele, die selber drei Kinder hat, half uns und sie nahm uns auch im Sommer 2000 mit in den Urlaub an den Gardasee. Das war der erste Schritt um mit Daniel in den Urlaub zu fahren und wir haben es seither jedes Jahr wiederholt, unsere weiteste Reise war Rom. Daniel hatte im Frühjahr noch eine PEG-Sonde bekommen, die uns die Sondierung erleichterte, dadurch nahm er endlich auch besser zu.
Erste große Herz-OP
Am 8. Mai 2001 stand dann die große Herz-OP an. Dr. Johansen erklärte uns, die OP sei für ihn wie ein Spaziergang durchs Herz und da er kein gutes Deutsch sprach, hat Dr. Schlensak für ihn übersetzt. Wir wussten von Prof. Kececioglu das die Chancen 50:50 für oder gegen Daniel standen und es damit keine einfache OP werden wurde. Doch Daniel kämpfte und er hat die nächste Hürde überstanden. Daniel bekam einen Xenograft (tierische Herzklappe mit Gefäß) eingesetzt und andere kleine Fehlbildungen wurden korrigiert, soweit es möglich war. Die Ärzte waren zufrieden.
Wir fuhren auf die Katharinenhohe in eine Familienkur. Es war nicht einfach für die Kurklinik, denn Daniel braucht spezielle Betreuung. Herr Mayer, der Klinikleiter hat die Situation sehr gut eingeschätzt und sofort reagiert und für Daniel eine Einzelbetreuung über mehrere Stunden organisiert, so das wir als Familie für uns selber und auch für Luisa Zeit fanden.
Daniel entwickelte sich langsam, in der Zwischenzeit hat sich der Verdacht verstärkt, dass Daniel das Charge Syndrom hat und die Humangenetik arbeitete daran. Das Witzige ist ja, eine Ärztin hatte diesen Verdacht bereits bei der ersten U2 ins Heft geschrieben, es wurde aber nie beachtet.
Nun kam Daniel in den Schulkindergarten fur Körperbehinderte in Offenburg - eine Integration bei uns im Ort war wegen seines Krankheitsbildes nicht möglich. Ein harter Weg, ihn nun los zu lassen, obwohl wir das in den letzten Jahren immer wieder tun mussten, bei diversen Operationen. Bei den Kontrollen des Herzens, war schnell klar das der Xenograft nicht ganz so gut arbeitet, wie er sollte. 2005 war dann klar, dass der Xenograft ausgewechselt werden muss und eine OP stand an. Es ging alles gut, nach zwei Wochen Aufenthalt in der Kinderuniklinik durften wir wieder nach Hause.
Daniel hat große Fortschritte gemacht
Daniel wechselte vom Kindergarten in die Körperbehindertenschule in Offenburg. Die nächsten Jahre verliefen im gewohnten Rhythmus, das Charge Syndrom hat sich in der Zwischenzeit bestätigt.
Bei dem CHARGE-Syndrom handelt es sich um einen seltenen Defekt, der verschiedene Körperteile betreffen kann und er wird heutzutage als eine Hauptursache für angeborene Hörsehschädigungen angesehen. Der Ausdruck 'CHARGE' basiert auf einer Abkürzung der häufigsten Symptome:
C - Kolobom des Auges
Ein Sehfehler, der dadurch verursacht wird, dass die Augenbecherspalte nicht richtig schließt.
H - Herzfehler
Eine Vielzahl verschiedenartiger Herzfehler werden mit CHARGE in Verbindung gebracht.
A - Atresie der Choanen bzw. Choanalatresie
Ein- oder beidseitige Blockierung des Nasenganges, der eine operative Behandlung notwendig macht .
R - Retardiertes Längenwachstum und Entwicklungsverzögerung
G - Geschlechtsorgane sind anomal
Dies betrifft die äußeren Geschlechtsorgane und ist deshalb nur bei Männern leicht feststellbar.
E - (Ear) Fehlbildungen des Ohres
Daniel hat große Fortschritte gemacht, in der Zwischenzeit konnte er laufen und sich mental äußern, doch auch dieser neue Xenograft wollte einfach nicht richtig. Durch das Wachstum hat sich der Xenograft verengt, so dass der Druck im Herzen höher wurde.
Daniel ging jetzt schon in die weiterführende Schule, die Oberlin Schule in Kork. Wir mussten wieder eine Entscheidung treffen, ein neuer Xenograft oder die Melody-Herzklappe. Die Meinungen gingen auseinander, verschiedene Untersuchungen brachten zwar ein Ergebnis, aber auf den Punkt kamen wir immer noch nicht. Also warteten wir noch ein Jahr, in der Zwischenzeit schreiben wir das Jahr 2012 und der Druck wurde immer höher - Daniels Körper tolerierte es noch, aber es wurde Zeit. Ein Termin bei Dr. Grohmann in der Kardiologie brachte dann die Wende, Herzkatheter, Gefäß erweitern, Melody-Herzklappe. Klare Ansage - so lieben wir es!
Die Angst lahmt einen, das Vertrauen stärkt einen, die Liebe macht einen stark und genau das versuchten wir Daniel mitzugeben - unsere Liebe.
Die OP verlief, wie es sein sollte, gut. Dr. Grohmann war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Nach einer Woche durften wir nach Hause. Auf dem Röntgenbild sieht es nun aus wie ein “Jägerzaun” im Herz.
In der Zwischenzeit ist ein gutes Jahr vergangen, Daniel ist 14 Jahre, fährt Fahrrad wie ein Rennfahrer, wird nur noch blau wenn er sich sehr stark aufregt oder krank ist.
Wir haben das “neue Verfahren” nicht bereut, obwohl wir anfangs sehr skeptisch waren. Aber Vertrauen stärkt einen.
Diese Jahre waren sehr belastend für unsere Beziehung, da man ja nicht nur Eltern ist, sondern auch Ehepartner, es war kein einfacher Weg für uns, oft sind wir an unsere Grenzen gestoßen, auch wenn es nicht so aussah. Wir hoffen, dass wir manchen Ehepartnern sowie Eltern Mut machen können, diesen Weg zu gehen.
Wir sind seit Anfang an Mitglieder bei “Herzklopfen” und es ist einfach gut zu wissen, es sind noch andere Eltern da, die einem helfen können, egal in welcher Form das auch sein möge.
Sabine und Georg Herm, Tel.: 0783-57377
Man weiß, dass trotz der Komplexität des Defekts Menschen mit CHARGE mit ihren Problemen zurechtkommen und weit mehr erreichen, als anfänglich für möglich gehalten wurde. Wie alle anderen können sie sich entsprechend ihren Fähigkeiten entwickeln, wenn ihnen die Möglichkeit dazu gegeben wird.
Melody® Pulmonal-Transkatheter-Herzklappe
Die Melody Transkatheter-Herzklappe als Pulmonalklappenersatz wird minimal-invasiv über einen Katheter in das Herz eingeführt. Dort wird sie in dem künstlichen Gefäß zwischen Herz und Lunge (Conduit, Pulmonalvenenersatz) platziert und ersetzt dadurch die ausgefallene Pulmonalklappe.
Bis vor kurzem bestand bei Kindern mit angeborenem Pulmonalklappenfehler nur die Möglichkeit einer Operation am offenen Herzen und der Einsatz eines künstlichen Gefäßes, eines sog. Conduits. Wenn die Kinder allerdings wachsen, wächst der Conduit nicht mit und muss nach einiger Zeit ersetzt werden. Auch bei Erwachsenen können sich an den Conduits Kalkablagerungen bilden, die zu einer Undichte oder einer Verengung führen. Wenn diese erneute Verengung oder Undichte über einen längeren Zeitraum besteht, kommt es oft zu einer Abnahme der Belastbarkeit, Kurzatmigkeit und eventuell sogar zu Herzrhythmusstörungen. Dann kann eine erneute Operation notwendig werden. Mit der Melody Transkatheter-Herzklappe steht nun ein System zur Verfügung, das Patienten mit angeborenen, strukturellen Herzfehlern die Implantation einer Pulmonalklappenprothese durch eine minimalinvasive Kathetertechnik ermöglicht. (Transkathetertechnologie).
Platzierung
Bei der minimalinvasiven Kathetertechnik wird die Klappe durch das menschliche Gefäßsystem zum Einsatzort transportiert. Dabei sind Klappe und Stent schmal zusammengefaltet auf einem Transportsystem installiert. Eingeführt wird das Kathetersystem meist durch die Leistenvene. Erreicht die Pulmonalklappe ihren Bestimmungsort am Ausgang der rechten Herzkammer, kann das Transportsystem abgezogen und die Klappe durch einen Ballonkatheter “aufgeblasen” werden. Die Klappe öffnet sich zur vollen Größe und nimmt den Platz der defekten Klappe im vorhandenen Conduit ein.
Eigenschaften
Die Klappe besteht aus einem biologischen Conduit (einem mit einer Klappe ausgestatteten Jugularvenensegment vom Rind), die in einen so genannten Stent (einen kurzen Drahtgelechtschlauch) eingenäht ist. Die Klappe wurde dafür entwickelt, das Blut frei vom Herzen in die Pulmonalarterien (Lungenschlagadern) strömen zu lassen.
(Quelle: www.medtronic.de)